"Unsere Flucht" von Daniela
Alles begann am 26. September 2015, als wir uns entschieden unsere Flucht ins Ausland aufzunehmen.
Wir starteten in Brasilien, wo wir beinahe zwei Wochen über Landstraßen und eine Woche mit dem Boot auf dem Amazonas fuhren. Wir badeten im Wasser des Flusses, sahen seltene rosa Delfine und schliefen in einer improvisierten Hängematte unter den Sternen. Untertags hatte es an die 40 Grad Celsius.
Als wir an Land gingen, lernten wir einen sehr schönen Ort kennen mit dem Namen Boa Vista. Unsere Reise ging weiter. Nach zwei Tagen kamen wir nach Bolivien, Santa Cruz, und nach einer Nacht weiter nach Tarija, an der Grenze zu Argentinien, die man als „reichste Stadt“ Boliviens kennt. Bis 2017 gab es in diesem Dorf keine „Franquicias“, keine Kinos, keine Einkaufszentren etc.
Wir waren sechs Monate dort, ohne Gefallen oder Freude daran zu finden. Wir mussten ein Zimmer mit vier weiteren Personen teilen, Ratten und Käfer fraßen unser Essen und zerrissen unsere Kleider. Verbunden mit Arbeitsangeboten, die nicht hielten, was sie versprachen, verschlechterte sich mein Gesundheitszustand (Asthma) zusehends, sodass ich fast gestorben wäre (wörtlich). Die Ärzte hatten wenig Erfahrung und geringe Kenntnisse, daher konnten sie mir nicht helfen und sie empfahlen mir, von dort wegzugehen, sonst würde ich es nicht schaffen.
Aufgrund der Gesundheit und der schlechten Behandlung als Frauen-Paar, der Diskriminierung und der Xenophobie trafen wir die Entscheidung wieder wegzugehen und ließen uns wieder auf eine neue Erfahrung ein. Wir fuhren nach Argentinien, fast ohne einen Centavo in der Tasche, wir verkauften fast alles, um es zu erreichen. Wir waren zwei Tage unterwegs, bis wir endlich in die Hauptstadt kamen und eine Unterkunft suchten. Am nächsten Tag machten wir uns auf, um Arbeit zu suchen und unsere Bekannten zu begrüßen und eine Cousine meiner Partnerin.
Mit viel Glück und mit der Hilfe eines Freundes fanden wir Arbeit in einer Küche, wir arbeiteten Probe, aber sie brauchten nur eine Person und meine Partnerin blieb. Ich suchte weiter nach Arbeit, konnte aber nur temporäre Jobs finden. Wir versuchten auch eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen; aber die Regierung von Venezuela begann allen, die das Land verlassen hatten, Steine in den Weg zu legen. Da wir keine Aufenthaltsgenehmigung hatten, nahmen uns die Arbeitgeber nicht ernst oder nützten uns aus, indem wir 12 Stunden täglich um die Hälfte des Geldes arbeiten mussten. Nach vier oder fünf Monaten konnte ich meine Tochter nachholen, die ich seit einem Jahr nicht gesehen hatte, auf der Suche nach einer besseren Zukunft. Wie schwer es ist, aus dem eigenen Land wegzulaufen weil man dort nicht akzeptiert ist, alles zurückzulassen, Familie und Kinder. Aber wir mussten es tun für unsere eigene Sicherheit.
Wir entschieden, dass unser Ziel sei, nach Österreich zu kommen, da die Situation in Argentinien unerträglich geworden war. Sie boten uns Geld für sexuelle Dienstleistungen an, sie missachteten uns, weil wir Frauen waren, und viele andere Dinge mehr. Wir entschieden uns, meine Verwandten, die hier (in Österreich) leben, um Hilfe zu bitten. Sie kauften uns die Flugtickets und wir kamen am 9. Februar 2017 in Wien an.
Jetzt leben wir seit einem Jahr in Österreich, davon zehn Monate im Asylverfahren. Wir wohnen in einem Camp weit außerhalb der Stadt. Wir haben wenig Kontakt mit Leuten von hier, wir haben keinen Supermarkt und nichts zu tun. Nur Traurigkeit, Verrückheit und Verzweiflung.
Wir gehören zu einer Gruppe des Projektes PAGES, das uns half, mehr Leute kennen zu lernen und die Kultur und wir unternahmen Aktivitäten, die uns halfen, den Asylprozess zu ertragen, der lange dauert, uns erschöpft und stresst. Das ist das Beste, was uns hier passieren konnte. Dieser Ort ist sehr schön, und Gott sei Dank geht meine Tochter in den Kindergarten und wir in den Deutschkurs A2. Während wir weiter warten, werden wir weiter studieren, uns anstrengen, lernen und das Beste von uns geben. Dem Glück muss man helfen.
Daniela, Venezuela