"Das Flüchtlingscamp" von Alexandra
Bevor ich näher auf dieses Thema eingehe, möchte ich den Kontext etwas beschreiben. Ich bin eine 29 Jahre alte Frau, die in den letzten Jahren in der Gastronomie gearbeitet hat, als professionelle Barkeeperin. Ich habe schon in jungen Jahren begonnen zu arbeiten, ich habe immer gearbeitet, es gefällt mir und ich fühle mich dadurch unabhängig und frei. Seit zehn Monaten kann ich nicht arbeiten, ich darf nicht, weil ich Flüchtling bin. Ich bin in dieses Land gekommen, um um eine Chance zu bitten, um nicht mehr weiter fliehen, mich nicht mehr verstecken zu müssen und um Schutz zu suchen. Warum? Ich bin homosexuell. Mein Delikt war eine Person meines Geschlechts zu lieben. Es ist meine sexuelle Orientierung, die mich hierher gebracht hat. Aber ich möchte nicht über Sexualität reden, ich möchte über meine Erfahrung in der Flüchtlingsunterkunft sprechen.
Ein kleines Dorf, weit weg von der Stadt Salzburg, mit wenigen EinwohnerInnen, wo es Berge, Grünflächen, Bäume und Natur im Überfluss gibt, aber wo Supermärkte, Transportmittel und soziale Kontaktmöglichkeiten fehlen. Um Brot zu kaufen, muss man mit dem Zug fahren, zum Beispiel. Hier wohne ich. Deutsch zu üben, ist schwierig. Mit wem kann ich reden? Die Personen, die ich sehe, sitzen einzeln in ihren Autos und in der Unterkunft, in der ich wohne, beherrschen nicht alle die deutsche Sprache.
Man muss aus dem, was man hat, etwas machen.
Hier zu leben ist nicht gänzlich schlecht, ich habe zweimal die Woche die Möglichkeit, zu meinem A2 Deutschkurs nach Bischofshofen zu fahren. Ich nehme auch am Projekt PAGES teil, eine große Chance, mich nützlich zu fühlen und neue Leute kennen zu lernen, Deutsch zu sprechen und die Zeit sinnvoll zu nützen. Wenn es PAGES nicht gäbe, was würde ich machen? Nur in den Deutschkurs gehen, und die restlichen Tage? Die Tage vorbeigehen sehen? Ohne mich nützlich zu fühlen? Ich kann auch keine ehrenamtliche, soziale Tätigkeit ausüben, sie brauchen niemanden oder ich mein Deutschniveau ist zu niedrig. Sehr schade. Die Hoffnung, die Verzweiflung. Verlorene Zeit, die nie mehr wiederkommt.
Ich bin seit zehn Monaten hier, aber manche schon zwei Jahre und mehr, ohne Interview, ohne Bescheid, so gut wie vergessen.
Werde ich auch vergessen bleiben? Werde ich noch mehr Zeit verlieren in diesem ewigen Warten? Ich weiß es nicht, aber ich werde das Beste aus dem machen, was ich habe.
Alexandra, Venzuela